Alles war fertig, das Buch geschrieben, das Cover entworfen. Aber der Titel fehlte. Bis zuletzt Kopfzerbrechen: Wie nennt man einen Jugendroman, der psychische Krankheit und den Suizid eines Jugendlichen thematisiert?
„Alle Farben grau“ - der spontane Vorschlag überzeugte, erzählt uns Martin Schäuble, der Autor des Jugendbuchs, den wir für eine Lesung in Jahrgang 10 eingeladen haben. „Alle Farben grau“, denn so fühlt sich Depression an. Das muss auch Paul, der Jugendliche, von dem und von dessen Umfeld der Roman handelt, erleben. Um ihn wird es immer farbloser und dunkler, hoffnungsloser. Aber das lässt er sein Umfeld nicht merken. Das kann er gut kaschieren.
Martin Schäuble erzählt uns mal aus Pauls Perspektive, mal aus der seiner Freunde oder seiner Eltern: Paul war schon immer anders, witzig, superschlau, irgendwie skurril. Eben Paul. Darum macht sich irgendwann keiner mehr Gedanken um sein Anderssein. Aber nach und nach ergeben die Puzzleteile ein Bild und im Nachhinein sagen alle: Das hätten wir sehen müssen! Darauf hätte doch jemand aufmerksam werden müssen. Da waren Warnzeichen für Pauls psychische Erkrankung, die alle übersehen haben. Wäre sie doch früher diagnostiziert worden! Hätte Paul doch früher Hilfe bekommen! Dann wäre er vielleicht noch am Leben.
Gegen ein solches Grau, wie Paul es erlebt hat, wollen wir am SG an diesem Nachmittag mit rund 70 Zehntklässler*innen angehen - angebunden an deren Deutsch-, Religions- und Ethikunterricht, begleitet von Schulseelsorge und Schulsozialarbeit und mit Verstärkung durch den Stuttgarter Jugendbuchautor Martin Schäuble. Denn das Grau gibt es nicht nur im Roman, für manche ist es Realität. Auch bei uns.
Martin Schäuble begegnet den Schüler*innen an diesem Nachmittag auf Augenhöhe und dem Thema mit großer Ernsthaftigkeit, aber auch mit einer gewissen Leichtigkeit und einer Prise Humor. Gespannte Stille herrscht, als er erzählt und vorliest. Anhand einiger Auszüge aus seinem Roman und Erzählungen aus seiner Recherchearbeit nimmt er uns mit hinein in seine Arbeit als Autor, in die Entstehung des Romans und in die Begegnung mit den Romanfiguren. Offen geht er mit den Fragen der Zehntklässler*innen um, auch mit den sehr persönlichen: „Wie verarbeiten Sie selbst es, wenn ihnen Menschen so etwas Schweres erzählen?“, „Haben Sie schon einmal eine Therapie gemacht?“ Feinfühlig und ehrlich klingen seine Antworten.
Auch, wie er mit einer der größten Herausforderungen beim Schreiben dieses Buches umgegangen ist, erklärt uns Martin Schäuble: Der Roman zu diesem ernsten Thema sollte mutmachend, positiv enden. Aber wie? Am Suizid der Hauptfigur, so Martin Schäuble, lässt sich nichts beschönigen, wenn die Geschichte authentisch sein soll. Und das ist sie. Dafür hat der Autor Gespräche mit Hinterbliebenen geführt, auch mit den Eltern des echten Paul, der im wirklichen Leben anders hieß. Dafür hat der Autor psychiatrische Einrichtungen besucht und mit Pauls Freunden und Lehrern gesprochen. Den Suizid selbst, betont Autor Martin Schäuble, stellt er bewusst nicht dar. Kein Wort darüber. Für ihn stehen symbolisch die beiden schwarzen Seiten im Buch. Sie teilen den Roman in ein „Davor“ und „Danach“.
Im „Danach“, zum Schluss, gibt Martin Schäuble vor allem denen eine Stimme, die nun, nach Pauls Suizid, sich dem Leben wieder zuwenden: den Eltern und Freunden, die es vom Leid gezeichnet trotzdem schaffen, neuen Lebensmut zu finden.
Ein berührendes Buch und ein beeindruckender Nachmittag - dank Autor Martin Schäuble, dank so vieler engagierter Kolleg*innen und vor allem auch dank der Zehntklässler*innen, die sich dem ernsten Thema gestellt und mit ihrem Interesse und ihren Fragen an den Autor den Nachmittag so lebendig gestaltet haben.
Im Anschluss lese ich die Widmung, die Martin Schäuble in mein Exemplar seines Romans geschrieben hat: „Gegen das Grau! Gemeinsam!“ Ja, ein Anfang ist jedenfalls am SG gemacht.
Unterstützung in Krisen für Menschen am Schwalmgymnasium:
Schulsozialarbeiterin Martina Umbach:
Schulpfarrerin Monika Dieling:
Schulpsychologin Sabrina Stahl:
Anonyme Beratung per Telefon und Chat:
Telefonseelsorge: 0800-1110111 oder 0800-1110222 (rund um die Uhr, kostenlos, anonym), auch per Mail/ Chat: https://online.telefonseelsorge.de/
Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: 116111 (montags – samstags: von 14 - 20 Uhr, kostenlos, anonym), auch per Live-Chat (Mo-Do 14-18 Uhr) oder Mail: https://www.nummergegenkummer.de/kinder-und-jugendberatung/online-beratung/
Sichere, anonyme und kostenfreie Onlineberatung:
www.u25-deutschland.de (Suizidprävention)
www.fideo.de (Jugendberatung bei Depression mit Test)
www.deutsche-depressionshilfe.de www.kids-hotline.de (bis 21 Jahre)
www.jugendnotmail.de (Jugendberatung bei versch. Problemen)
www.youth-life-line.de (Peer-Beratung in Lebenskrisen: mit geschulten jungen Menschen schreiben, die selbst Krisen bewältigt haben)