Von der Kunst ist man ja schon einiges gewohnt, doch die Abschlussausstellung des Kunst-LKs hielt am Freitag schon allerhand Wunderliches bereit. Aufgabe war es, zu einem Gegenwartskünstler künstlerisch zu arbeiten und in dieser Arbeit auch einen persönlichen Bezug herzustellen.
Eine fast schon magische Stimmung empfing die spontan eingeladenen Besucher am Freitagmorgen im abgedunkelten Kunstsaal. Die meisten Rollos waren heruntergelassen, um die vielen projizierten Arbeiten ins rechte Licht zu setzen. Begrüßt wurde man von fotografischen Porträts eines Mannes in Frauenverkleidung. Lara Hettlinger bezog sich damit auf die Fotoarbeiten von Cindy Sherman sowie die Genderthematik. Ebenso Kritik am herrschenden Frauenbild übte Selma Engelhardt in einem riesigen, mit Kugelschreiber gezeichneten Porträt eines Mädchens. Es schnürt sich nach Lippenvergrößerung und Nasen-OP selbst die Luft ab.
Von den Abi-Lernzetteln nur noch Spuren blieben in dem abstrakten Werk von Ebru Topal im Stil von Katharina Grosse übrig. Anwesend hingegen war das lebendige „Arbeitsmaterial“ von Inken Specht: Sie hatte in Anlehnung an die Performances von Marina Abramovic die Panzer ihrer Schildkröten geputzt, die nun zum viel bestaunten Kunstwerk wurden. Überhaupt war die Ausstellung sehr tierlastig. Miriam Schlosser und Annemarie Möller entließen nach Art von Christos Installationen 50 Origami-Enten auf einem nahegelegenen See (und sammelten sie auch wieder ein), Chantal Badenhausen und Laura Cloes projizierten das Video einer Gardeaufführungen auf den Bauch eines Pferdes und Nina Fahlbusch konservierte entsprechend des Künstlers Damien Hirst in einem Vorratsglas ein echtes Schweineherz mit Glitzerherzchen unter dem Titel „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen“. Ebenso biblisch mutete das Motiv von Josefine Müller an: Sie hatte, provokant wie Jonathan Meese, sich bzw. die Kunst ans Kreuz genagelt.
Wie schillernd, aber auch oberflächlich die Kunst sein kann, zeigten Lukas Subbotin und Melisse Görzen mit ihrem „Golden Boy“ , der auch im Schulgebäude als wandelndes Kunstwerk die Blicke auf sich zog. Zurückhaltender zeigte sich die kleine Filzpuppe in einem bunt geblümten Schraubglas, der man laut Ingrid French Geheimnisse anvertrauen könne. Ebenso farbenfroh zeigte sich die „Nana“ von Lea Geisel und Nadine Knauf, doch sie hatte anders als die Frauenfiguren von Niki de Saint ihre Rundungen abgelegt.
Wie kann ich den Betrachter durch meine Augen schauen lassen? Diese Frage stellte sich Karina Schlundt und fotografierte unzählige Sonnenuntergänge, die sie wie Gerhard Richter mit Farben überrakelte. Mit dem Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy beschäftigten sich Fabian Jaksa und Artur Seibel. Doch sie arrangierten keine Naturmaterialien, sondern technische Geräte für ihr Kunstwerk. Yana Malahova hatte das Glück, „ihren Künstler“ schon persönlich kennengelernt zu haben. Der Konzeptkünstler Reinhard Doubrawa hatte den Unterricht im letzten Jahr besucht und stellte u.a. seine Text-Graffitis vor. Yana hinterließ ihre (abwischbaren) Statements in Stadtallendorf: LOVE. HATE. FEAR. Mit dem wohl bekanntesten Street-Art-Künstler setzte sich Michelle Schaller auseinander und schuf mit der typischen Schablonentechnik von Banksy ein eindrucksvolles Porträt.
Eine Erfrischung zum Abschluss hielten Dennis Bechtel und Marie-Claire Thiel bereit. Sie hatten zu dem Video-Künstler Bill Viola gearbeitet, dessen Werke oft das Element Wasser beinhalten. In extremer Slow-Motion breitet sich über den beiden ein Schwall Wasser aus. Anhand ihrer Mimik kann der Betrachter das Erlebnis förmlich mitfühlen. Doch die beiden halten eineinander, halten Stand.
Grenzwertig waren die Exponate. Nicht immer schön anzusehen, sondern Fragen aufwerfend, vielleicht auch schockierend, aber wirkungsvoll. Damit hat der Leistungskurs gezeigt, worauf es in der Kunst der Gegenwart ankommt. Nicht nur auf „schöne Bildchen“, sondern darauf, etwas auszusagen, über die Welt, über die Kunst und über sich selbst.